Ein Fistbump mit:
Mitja Lafere

Betreiber des 55 Eleven und
neuerdings auch Lieferheld

Dominik: Als Münchner Gastronom und Gschaftler, wie sehr bist du von den Auswirkungen von Corona betroffen?

Mitja: Massiv natürlich. Vorne weg möchte ich aber gleich sagen, dass wir die Maßnahmen komplett verstehen und sie für richtig befinden, bzw. sollte man wahrscheinlich schnell noch ein wenig drastischer handeln. Aber wirtschaftlich gesehen brauchen wir das nicht klein reden. Die ganze Gastro-Branche ist gef****, das ist tatsächlich so. Wir haben nur noch einen Laden offen, das 55 Eleven, weil wir hier Essen anbieten und somit Versorger sein können und wollen. Zum einen, weil es den Schaden vielleicht minimal schmälert und zum anderen, weil es die Leute vielleicht motiviert, zu Hause zu bleiben. Deswegen liefern wir jetzt mittags von 12 bis 15 Uhr und abends von 18 bis 22 Uhr.

Wie funktioniert der Lieferservice?

Der funktioniert relativ einfach. Man geht auf unsere Homepage, kann sich den Warenkorb vollpacken mit allem Möglichen, was bei uns auf der Karte steht und praktikabel zu liefern ist. Aber natürlich auch ne Flasche Wein oder ne Flasche Vodka mit Beigetränken – was vielleicht zum Wochenende noch interessant wird. Sogar eine 55-Cap kannst du dir holen, damit du in der Quarantäne in Style unterwegs bist. Ansonsten wäre es für uns super sinnvoll, wenn die Leute, die zu Hause bleiben und wirtschaftlich keinen Nachteil haben, sich einen Gutschein rauslassen würden – für bessere Zeiten. Den kann man dann einlösen, sobald das Ganze durchgestanden ist. Am Wichtigsten ist im Moment einfach, Umsatz zu machen, so gut es geht.

„Wir finden es sehr schön zu sehen, dass die Leute uns auch in diesen Zeiten irgendwie supporten.“

Wohin liefert ihr denn genau?

Wir haben mit einem Gebiet gestartet, das ungefähr die Maxvorstadt abdeckt, sehen aber bereits nach dreieinhalb Tagen, dass es sehr viele Supporter gibt, die auch von weiter weg bestellen. Daher werden wir das Gebiet auf jeden Fall vergrößern und mit Mindestbestellwerten arbeiten, damit es sich rechnet, durch die ganze Stadt zu fahren. Wird aber wirklich gut angenommen und wir finden es sehr schön zu sehen, dass die Leute uns auch in diesen Zeiten irgendwie supporten. Manche bestellen einfach ein paar Flaschen Wein und ein Eis vom Ballabeni – das ist für uns natürlich super!

Wer fährt das Essen aus – fährst du selbst?

Kurz erstmal zur Erklärung, warum wir nicht mit Lieferando arbeiten: Lieferando macht bestimmt auch eine Super-Sache, aber da wir gerade von null auf hundert starten, macht das wenig Sinn, da Lieferando einen relativ großen Anteil von jeder Bestellung bekommt und sich das dementsprechend momentan gar nicht rechnen würde. Stattdessen halten wir zusammen, der Cossi macht den Counter, wir haben einen Koch da (natürlich unter höchsten hygienischen Umständen, da wird schön alles desinfiziert) und unsere Mitarbeiter und ich fahren aus. Wir haben jetzt auf die Schnelle einfach einen Roller gebrandet und einen Behälter hinten drauf gespaxt. Ansonsten fahren wir mit allem, was wir haben. Eine Mitarbeiterin von uns fährt mit ihrem Fahrrad durch die Maxvorstadt. Es ist tatsächlich so, Not macht erfinderisch und wir sind eh gut aufgestellt. Wir haben ein tolles Team, haben Bock und verstehen, dass wir alle zusammen halten müssen.

„Auf jeden Fall geht den Läden urplötzlich jede Substanz verloren, um weiterhin mehrere Leute zu beschäftigen und Geld verdienen zu lassen.“

Wieso trifft soziale Isolation Restaurants, Bars, kleine Clubs und Läden besonders?

Das ist relativ einfach erklärt: Alle Läden ohne Essen müssen ganz zumachen, mit Essen dürfen sie nur noch kurz mit wenigen Leuten im Laden offen haben oder liefern. Das bedeutet für alle Bars und Clubs von heute auf morgen überhaupt keine Öffnungstage mehr, was das komplette Personal mehr oder weniger sinnlos macht. Die Betreiber haben, wenn wir ehrlich sind, durch die hohen Kosten in einer Stadt wie München kaum Rücklagen und können diese Situation eigentlich nicht lange aushalten. Deswegen wird es da jetzt massiv Entlassungen geben, was leider die einzige Möglichkeit ist, wie die Clubs überhaupt bestehen können, ohne direkt Insolvenz anzumelden. An unserem Beispiel siehst du es auch, wir haben über 20 Angestellte und jetzt auf einen Schlag nur noch extrem wenige Stunden zu verteilen. Momentan haben wir mittags noch auf, aber auch das wird sich in den nächsten Tagen noch ändern, da sind wir uns ganz sicher. Weil man – gerade in München – ja auch sieht, dass es die Leute so noch gar nicht ernst nehmen. Auf jeden Fall geht den Läden urplötzlich jede Substanz verloren, um weiterhin mehrere Leute zu beschäftigen und Geld verdienen zu lassen.

Wie sieht die Situation für euch aus, wenn die Ausgangssperre kommt?

Wir sind so informiert, dass wir auch mit Ausgangssperre weiterhin liefern dürfen, sogar sollen, da es der Versorgung dient. Der Lieferservice würde dann wahrscheinlich noch besser angenommen werden. Wir hätten auch nicht mehr das Problem, dass Leute um 16 Uhr zu dritt vor dem Laden stehen und fragen, ob wir nicht doch eine Ausnahme machen können. Manche fragen uns auch, ob wir ihnen den Laden nicht als Privatveranstaltung aufmachen könnten, es ist wirklich unglaublich. Die verstehen es einfach nicht. Wir schicken natürlich alle nach Hause. Ich glaube, das ist auch das Einzige, was gegen den Virus Sinn ergibt.

Was kann jede(r) Einzelne machen, um Gastro- und Kulturläden zu unterstützen?

Bei den Lieblingsläden checken, ob die aktuell noch irgendeinen Betrieb aufrecht erhalten und das dann supporten. Ansonsten, bei Clubs und Bars, schreibt denen und sagt ihnen: „Hey Leute, ihr wart immer für uns da und jetzt halten wir das zusammen durch.“ Vielleicht kann man irgendwo Geld spenden oder zumindest den Betreibern und Teams schreiben: „Sobald es vorbei ist, werden wir doppelt Gas geben bei euch!“ Zu zeigen, dass ihr an die Läden denkt, ist bestimmt auch schon mal was wert.

Wenn du den Leuten da draußen – in nötigem Sicherheitsabstand –
noch was mitgeben könntest, was wäre das?

Bleibt zu Hause! Erkundigt euch nach Älteren und Schwächeren, greift denen unter die Arme – das ist momentan wirklich extrem wichtig! Und ansonsten: Einfach mal zurückziehen. Einfach mal ganz locker zwei Wochen zu Hause bleiben. Das ist eigentlich im Normalfall nicht zu viel verlangt. Ich glaube, da hatten andere Generationen schon ganz andere Probleme.