Zeno Kratzer von Salievito im Interview über die Reise vom Lateinlehrer zum Pizzastand, ausgezeichnetes Coronatiming und warum Regina einfach nicht mehr geht.

Dominik: Zeno, du hast mit Salievito („Salz und Hefe“) einen Pizzastand gegründet, ohne vorher groß etwas in dieser Richtung gemacht zu haben. Wie kam es dazu?
Ursprünglich war es eine Schnapsidee.

Wie so viele gute es sind.
Ich wollte in der Vergangenheit einen Pizzaofen auf unsere Ranch bauen, das ist ein Viehunterstand vom Opa auf dem Grund von einem ehemaligen Hof in unserer Heimat. Aber dafür, dass wir dann zweimal im Jahr dort feiern, erschien das vielleicht doch etwas zu groß. Da kam mir zum ersten mal die Idee zum mobilen Ofen. So kann man den auch auf eine Feier mitnehmen. Dann hat der Risto, ein guter Spezl, der in München eine Firma für Gastrodienstleistungen hat, während Corona auch nicht so wirklich viel zu tun gehabt und so sind wir zusammen gekommen. Ich bin ein Teamspieler, er arbeitet wahnsinnig akkurat und jetzt machen wir Salievito zusammen.

Ok, aber wie kommt es vom Gaudi-Pizzaofen privat zum Gastrobetrieb?
Den Gastropunkt gibt es schon ganz lang in mir. Klar, während dem Studium hab ich so mein Geld verdient. Aber mehr noch, da mein Urgroßvater ein Wirtshaus in Neufrauenhofen gehabt hat. Ganz kleines Dorf und Wirtshaus, aber so hab ich während meiner Kindheit halt immer Wirtshausgeschichten gehört. Das hat sich fest gebrannt. Dann bin ich bei meinen Onkels, die hatten Getränkemärkte, immer mitgefahren zum Ausliefern. Ich hab Bier-Tragl geschleppt bevor ich laufen konnte. Diese Belieferung der Wirtshäuser, der Einödhöfe hat mich geprägt. Gastronomie hat mich dann Zeit meines Lebens begleitet.

Stimmt, du hast ja später auch Wiesnkellner gemacht, im Käfer und jetzt im Marstall sogar, soweit ich mich erinnern kann?
Richtig, Wiesn, Gäubodenfest, Frühlingsfest, alles. Aber auch quer durch Münchner Betriebe, ich hab eigentlich alles mitgenommen. Von den Bauern auf dem Volksfest bis hin zum Fine Dining in der Sterneküche. Hat alles Spaß gemacht.

Wo war Fine Dining?
Zuletzt beim Pure, Wine & Food zum Beispiel. Oder wenn man auf bisschen weniger Fine Dining geht, aber immer noch gehoben, dann Reitschule oder Upside East.

Und, wenn mich meine Insta-Erinnerung nicht täuscht, warst du auch mal in den USA tätig?
Stimmt auch. Da war ich bei einer Restauranteröffnung dabei. Eine Familie aus dem Schwarzwald wollte ein alpines Restaurant mit süddeutschen, österreichischen und schweizerischen Einflüssen in den Rocky Mountains eröffnen, in Vale. Ich bin durch einen Freund zufällig drauf gekommen, wollte eh immer mal in die Staaten und so ließ sich das gut verbinden. Und plötzlich war ich von Sekunde eins mit drüben – und wir sind da wirklich in Tracht, also Lederhosn, Dirndl und allem aufgelaufen. Für die Amis natürlich Show pur, ist super angekommen, aber wir hatten auch wirklich a Gaudi.

Aber davor hast du noch dein Studium fertig gemacht, was war das?
Lehramt auf Latein und Sport, was ich auch mit dem ersten Examen beendet habe.

Die Herausforderung besteht darin, innerhalb weniger Sekunden die Bedürfnisse und den Charakter des Gasts zu lesen.

Ok, also eine Ausbildung mit Schwerpunkt auf Latein. Jetzt Gastronom – wo würdest du da dein Spezialgebiet sehen? Service, Bar oder stehst du in der Küche, respektive vor dem Ofen?
Service. Es ist ein Job, Gastgeber zu sein. Dass man höchsten Wert darauf legt, dass jeder Gast – egal wie er drauf ist – eine schöne Zeit hat. Hab ich auch in den Staaten aufgeschnappt: „Killing through kindness“. Die Herausforderung besteht darin, innerhalb weniger Sekunden die Bedürfnisse und den Charakter des Gasts zu lesen. Will er nur schnell konsumieren, will sie selbst unterhalten oder unterhalten werden. Oder natürlich, wollen sie nur raus, um raus zu kommen – und vielleicht ein bisschen zu meckern.

Aber trotzdem wolltest du dann deinen eigenen Laden aufmachen. Wieso kams nicht dazu?
Weil dann erstmal Corona kam. Ich war eigentlich in Vertragsverhandlungen für einen Laden in zentraler Lage, aber habe mich mit dem Makler überworfen – was mein großes Glück war, fünf Tage vor dem ersten Lockdown. Da war ich, ums mal vorsichtig auszudrücken, arschfroh, sonst würde ich jetzt mit einem riesigen Kredit und einem Laden dasitzen, den ich nicht bespielen könnte.

Das glaub ich gern. Was wäre es denn geworden? Eine Pizzeria?
Nein, und jetzt bitte nicht lachen, aber wir wollten ein Tagescafe aufmachen. Mit wechselnden Mittagsgerichten und einem Schwerpunkt auf gesundem, regionalem Essen. Kein Bowls- oder All-Day-Breakfast-Laden. Stattdessen ungezwungen und mit einfacher Karte. Aber das wirkliche Alleinstellungsmerkmal kann ich leider nicht verraten, weil ich den Laden vielleicht ja in der Zukunft noch umsetzen mag. Einen Laden, wie es ihn so in München noch nicht gibt, glaube ich zumindest.

Bitte, logisch, sag nicht mehr. Außer vielleicht: Wie ging es dann weiter? Wie lässt sich der Bogen zum Pizzastand schlagen?
Ich habe mir überlegt, was ich das nächste halbe Jahr mache, wenn Corona wirklich so hart einschlägt, wie vermutet. Ich habe viel gelesen, sehr viel rumgeräumt, auch auf der Ranch. Und so kam mir die alte Idee mit dem mobilen Ofen wieder in den Sinn. Ein alter Plan F quasi: Wäre doch clever, auch mit eigenem Laden eine Möglichkeit zu haben, auf externem Grund abliefern zu können. Mehr Richtung Catering also. Während Corona habe ich dann beschlossen, den Spieß umzudrehen und nicht mit dem Laden, sondern mit der Mobilität anzufangen – solange ich eben warten muss. Solange es mir Spaß macht – lacht – oder gezwungenermaßen Spaß machen muss.

Mobil verstehe ich, Catering verstehe ich auch, aber wieso keinen Foodtruck?
Ja, es ist kein Foodtruck. Auch hier habe ich damals in den USA etwas mitgenommen. Street Food Stalls…

Heißt was genau?
Du hast eine mobile Küche, die du, wie in unserem Fall auch, von Null auf aufbaust, dann ein Event lang vor Ort bist, alles wieder abbaust und abhaust.

Hast du so einen aus den USA mitgenommen, oder wie?
Nein, ich bin zum Ofensetzer gegangen und hab ihn gefragt, wie man einen Ofen baut. Der hat mich schräg angeschaut und mir geraten, mir lieber einen zu kaufen. Aber ich wollte ja nicht nur einen Ofen, sondern auch die Beschäftigung während Corona. Schließlich hat er mir dann doch sehr weitergeholfen. Aber was tatsächlich auch immer hilft, ist Youtube. Do-It-Yourself-Tutorials. Kein Scheiß!

Aber konntest du das alles technisch selbst umsetzen?
Ich habe davor zum Beispiel nicht Schweißen können. Aber mein Großcousin. Ich also total euphorisiert zu ihm: „Bene, hast du Lust einen Ofen zu bauen?“. Antwort: „Nein, eigentlich nicht!“. – lacht – Aber ich habe ihn dann mit der Aussicht auf Calzone überredet. Er liebt Calzone. Nachdem er es mir gezeigt hat, ist mir klar geworden: Es ist ja theoretisch „nur“ ne Stahlkiste, die mit Dichtungen und Schamottsteinen ausgelegt ist und die ich von außen noch verkleidet habe.

Schamott…, was?
Schamottsteine sind Steine, die beim Ofenbau gerne verwendet werden, weil sie sehr wärmespeichernd sind. Sie leiten die Hitze gut weiter, halten sie auch drinnen – und geben sie gleichzeitig perfekt an die Pizza ab. Man kann da auch Raketentechnik daraus machen – oder man baut den Ofen einfach.

Von der einen Technik zur anderen – du machst plötzlich Pizza, ist das wirklich so simpel?
Ich habe mein Praktikum in der neunten Klasse in der lokalen Pizzeria gemacht. Der Pasi, mein damaliger Chef, hat mir wirklich viel beigebracht. Und das Interesse wächst auch stark, wenn man Pizza so sehr liebt wie ich. Ich hab mich tatsächlich immer noch nicht überessen. Ganz egal, ob vor oder nach dem Kater.

Ah, der Pasi. Wer kennt ihn nicht. Aber gibt es auch andere, vielleicht bekanntere Vorbilder oder Inspirationen?
Da müsste ich dann trotzdem in unserer Heimat bleiben und Pasis Mama nennen. Sie kommt aus Kalabrien an der Grenze zu Campanien und kennt sehr viele alte italienische Rezepturen. So hat sie zum Beispiel meine Augen für weiße Pizzen geöffnet. Das sind traditionelle Pizzen aus der Region der Familie, die ich davor nicht gekannt habe. Weil es in München und Bayern ja fast ausschließlich diese typische Gardasee-Pizza gibt.

Bei wunderschönem Sonnenschein, 25 Grad zu einem Glas Wein würde ich eine Prosciutto e Funghi essen.

Ihr probiert also auch Sachen aus?
Definitiv. Auch was den Belag angeht. Feige und Prosciutto Crudo zum Beispiel. Oder karamellisierte Walnüsse, da könnte ich mich reinlegen. Und: Frische Minze und Petersilie zu einem Blauschimmelkäse. Diese Frische!

0815-Frage, wenn wir schon beim Thema sind: Was ist dann deine Lieblingspizza?
Die gibt es tatsächlich nicht. – lacht – Es kommt ohnehin auf den Hunger-Faktor an. Zweitens auch noch auf die Umstände.

Ok, dann sag mir die Pizza für die richtigen Umstände.
Wenn es im Herbst richtig kalt und nass ist, dann bin ich absoluter Fan von unserer Miele. Das ist eine abgehangene Salsiccia mit Peperoni und Honig. Durch die abgewandelte Form der Salsiccia gibt es dem Ganzen noch mal eine rauchigere Note. Süße und Schärfe passt zu diesem Wetter einfach perfekt. Bei wunderschönem Sonnenschein, 25 Grad zu einem Glas Wein würde ich eine Prosciutto e Funghi essen. Aber auch hier mit Abwandlung. Ich hatte irgendwie die Nase voll von der klassischen Schinken- und Champignons-Kombination.

Regina halt.
Mega lecker, aber irgendwie reichts auch. Also haben wir angefangen mit einem Schwammerl-Ragout, da sind neben Champignons auch Egerlinge, Pfifferlinge, Kräuterseitlinge und Steinpilze drin. Wir blanchieren das extern in der Pfanne und werfen es dann auf die Pizza. Und schon geht es weit über das Reginalevel hinaus.

Kann ich bezeugen.
Wenn ich mich aber festlegen müsste, würde ich die klassische Margherita wählen. Die sticht durch Bescheidenheit heraus. Klassischer neapolitanischer Stil. Sugo, Käse, Olivenöl, Basilikum. Was braucht man mehr?

 

Man kann Pizzen von Salievito in nächster Zeit immer Donnerstag aus dem Balan und Samstag und Sonntag (jeweils 11:30 bis 21:00 Uhr) am Giesinger Grünspitz bekommen. Einfach anrufen und dampfend mit in den Lockdown nehmen. Für alle weiteren Infos checkt einfach ihr Instagram!